Diskussion: Medien&Barrieren am Freitagabend auf der LiMA

„Barrieren“ abbauen und alle Menschen gleichberechtigt integrieren? Das will inzwischen mehr oder weniger jeder Politiker und wohl auch jeder Medienverantwortliche. Doch warum sind Geschlecht, Herkunft oder körperliche Beeinträchtigungen überhaupt immer noch Hürden, auch in der Medienbranche? Dazu diskutierte eine bunte Runde am Donnerstagabend auf der LiMA15.
Netzaktivistin Anne Roth veröffentlicht auf ihrem Blog „50 Prozent“ regelmäßig die Frauen- und Männeranteile bei Konferenzen, Talk-Shows und Co. Die Daten werden von ihren Lesern eingesendet. Daher seien die Ergebnisse natürlich nicht repräsentativ, betonte Roth. Jedoch werde deutlich, dass eine „schiefe Beteiligung“ von Frauen bei öffentlichen Veranstaltungen vorliege. Ein Anteil von nur 25 Prozent von Frauen bei einer Podiumsrunde? Eine außergewöhnlich hohe Quote, wie die Bloggerin sarkastisch feststellte.

Keine weiblichen Experten? Schauen Sie mal in die „Speakerinnen“-Datenbank

Um der üblichen Ausrede zu begegnen, dass es nicht genügend weibliche Experten zu den Themen der Welt gäbe, hat Roth eine „Speakerinnen“-Datenbank ins Leben gerufen. Dort können sich Frauen als Experten eintragen, auch mit der Möglichkeit Videomaterial von ihren Auftritten hochzuladen. „Es ist wichtig, dass der weiße, männliche Experte auf dem Podium eigentlich nicht die Mehrheit ist, sondern uns als Norm vorgesetzt wird“, stellte Roth fest. Mit der Datenbank sollen Frauen motiviert werden, sich vermehrt an die Öffentlichkeit zu trauen.

Margit Glasow, freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Behinderung, kritisierte, dass Begegnungen mit Betroffenen oft nicht auf Augenhöhe stattfänden. In den Medien erschienen Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen entweder als „Superhelden“ (zum Beispiel Paralympics-Sieger) oder aber in der Opferrolle. Es fehle der „Normalfall“. Es müsse zudem selbstverständlich werden, dass auch eine JournalistIn im Rollstuhl über „ganz normale“ Themen berichte. Glasow, die selbst an der Glasknochen-Krankheit leidet, arbeitet beim Magazin „Inklusiv!“ mit, das Betroffenen einen Anstoß geben soll, ihre Interessen zu vertreten.
Konstantina Vassilou-Enz, von der Vereinigung Neue Deutsche Medienmacher, berichtete von der Situation von Menschen mit Migrationshintergrund. Nur drei bis fünf Prozent aller Journalisten hätten einen entsprechenden „Background“. Besonders niedrig sei der Anteil bei den Printmedien, was wohl auch im dortigen Selbstverständnis als „Hort der deutschen Sprache“ begründet liege. Gerade bei privaten Fernsehsendern sehe es dagegen besser aus. Diese achteten nämlich auf ihre Zielgruppe von jungen Menschen. Eine Homogenität der „Standarddeutschen“ in den Redaktionen bedinge das Fehlen von bestimmten Themen in der Berichterstattung. Beim letzten Kanzlerduell kam das Thema Migration und Asyl nicht vor, führte Vassilou-Enz an. Die etablierten Medien hätten sich daran nicht gestört, in der“Migrantenszene“ hätte dies aber zu großen Diskussionen geführt.

Bei Radiosendungen sieht man nicht, ob jemand im Rollstuhl sitzt oder keinen deutschen Pass hat…

Eher nüchtern äußerte sich Timo Stadler vom Bundesverband Freier Radios. Zwar seien Freie Radios schon seit ihrer Gründung in den 1970er Jahren danach bestrebt, Barrieren einzureißen – ihrer Meinung nach sollten alle Menschen einen Zugang zu dem Medium haben. Aber mit wenig Geld und nur ehrenamtlichen Mitarbeitern stoße man schnell an die Grenzen, wenn es um Inklusion gehe. In einem Radio-Studio zu arbeiten, sei bei manchen Einschränkungen einfach nicht ohne Hilfe möglich.
Andererseits biete gerade das Radio auch viele Vorteile in Sachen Barrierefreiheit. Über den Rundfunk werde man ja nicht gesehen und es falle auch nicht auf, wenn man keinen deutschen Pass hat, stellte Stadler pointiert fest. Und Mikrofonangst könnten im Übrigen auch weiße Hetero-Männer bekommen. Immerhin, so Stadler zum Abschluss der Runde, gehe es stetig, wenn auch langsam vorwärts. Vor 20 bis 30 Jahren hätte es keine Fußballreporterin oder offen schwule Bürgermeister gegeben.
Zwischen der offiziellen Wichtigkeit der Problematik und der konkreten Beteiligung besteht allerdings offenbar noch ein Unterschied. Die LiMA15 bot sieben verschiedene Veranstaltungen zum Thema „Barrieren“ an – einige mussten jedoch mangels Anmeldungen wieder abgesagt werden. Die LiMA wird aber auch beim nächsten Mal wieder entsprechende Seminar anbieten, stellte Jörg Staude vom LiMA-Vorstand klar.

Maximilian Staude

Mehr Infos zum Thema Barrieren:

Blog 50 Prozent von Anne Roth

Inklusiv-Online

Neue deutsche Medienmacher

Freie Radios