Unsere Workshop-Teilnehmer haben sich den Journalisten und Mitorganisator der LiMA 15, Jörg Staude, vorgenommen: Interview #2
Interview #2 „Lasst uns besser werden“
Ein Interview mit Jörg Staude über die #LiMA und die Aufgaben der linken Medien.
Jörg Staude ist seit vielen Jahren als Journalist tätig und Mitorganisator der „Linken Medienakademie“.
Interview: Chris Janetzko
Herr Staude, die Veranstaltung heißt „Linke Medienakademie“, obwohl an sich fast keine politischen Inhalte, sondern vor allem handwerkliche Fähigkeiten vermittelt werden. Aus welchem Grund ist also dieser Titel gewählt?
Man könnte es so betrachten, dass wir eine Medienakademie machen und Menschen ein Handwerk beibringen, das relativ frei von irgendwelchen politischen Inhalten ist. Aber es ist ja am Programm erkennbar, dass bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden. Rhetorik ist zum Beispiel sehr stark nachgefragt, und an sich ist das erst mal unabhängig von links oder rechts. Es gibt aber viele Wissenschaftler und Politiker, die sich als links definieren, die Interviews geben und reden müssen und die das nicht können. Deswegen ist ein Rhetorikseminar, das wir in dieser Art und Weise anbieten, letztendlich eine Stärkung von linkem Gedankengut oder von Gegenöffentlichkeit.
Also wird im Prinzip ganz unpolitisch journalistisches und mediales Handwerkszeug unterrichtet.
Nach außen hin ist es normales Handwerk, aber die Linke ist da ein bisschen im Hintertreffen gegenüber dem, was bürgerliche oder andere Medien machen. Da muss die Linke in ihrer Öffentlichkeitsarbeit professionalisiert werden. Es reicht ja nicht, sich für eine gute und gerechte Idee einzusetzen, denn dann kommt man an den Punkt, an dem man denkt: „Ich hab da eine gute Idee, warum verkauft die sich denn nicht.“ Die Schlussfolgerung ist doch einfach, dass auch eine Idee von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden professionell medial rüber gebracht werden muss. Es ist eine gewisse Erkenntnis, der sich auch Linke öffnen müssen. Wir müssen professioneller werden. Lasst uns besser werden, dann werden auch unsere Ideen, für die wir streiten, eine größere Verbreitung finden. Diesen Anspruch sollten wir an uns selber haben.
Gibt es denn eine explizite Aufgabe linker Medien?
Im Grunde ist es die Aufgabe aller Medien, erst mal eine möglichst wahrheitsgetreue Information zu bieten, den Leser zu unterhalten und vielleicht auch eine Öffentlichkeit herzustellen für Ereignisse, über die andere Medien nicht berichten. Viele linke Medien definieren sich nur über letzteres und auch wenn das eine der Aufgaben ist, ist das alleine ein etwas elitärer, einseitiger Anspruch. Es muss in einem linken Medium zunächst einmal auch genau das gebracht werden, was die anderen Medien bringen, nur eben besser. Die Nachricht, die in einem linken Medium steckt, muss genauso gut recherchiert sein, genauso gut lesbar geschrieben sein, genauso gut eine Überschrift haben und genauso informativ sein, wie in anderen Medien. Es ist also erst mal ein Qualitätsanspruch. Bei vielen linken Medien erfahre ich aber gar nicht, was genau passiert ist, sondern da erzählt mir der Autor ellenlang, was für eine Meinung er hat. Dann soll er lieber einen Kommentar schreiben. Es wird in linken Medien gerade sehr viel Meinung und Nachricht verquickt, was unprofessionell ist.
Und andere Aufgaben für linke Medien gibt es nicht?
Linke Medien sollen natürlich auch eine gewisse Vernetzung herstellen, die Community bedienen und eine Debatte herstellen. Und da sind die linken Medien völlig zersplittert. Die existieren nebeneinander und beharken sich höchstens gegenseitig. Und da ist unser Ansatz, dass wir etwas anbieten und egal ob Online-Medium oder Print, egal von welcher Zeitung jemand kommt, bei der Medienakademie sind alle willkommen. Wir möchten uns öffnen und nicht nur in unserem eigenen linken Zirkel gefangen bleiben. Wir haben überhaupt keine Berührungsängste mit Leuten, die nicht unserer Auffassung sind.
Aber ist es nicht auch die Aufgabe linker Medien die Menschen anzuleiten?
Ich denke, das ist eine Idee, die aus der Vergangenheit stammt. Ich arbeite schon sehr lange als Journalist und da gab es mal die Idee, dass Medien als Transmissionsriemen Leute leiten sollen, quasi nach dem Motto: „Ich habe eine Idee und jeder muss einsehen, dass die gut ist, und ich muss sie nur in die Massen tragen.“ Ich denke dieses kommunikative Konzept ist nicht mehr zeitgemäß und spiegelt die Vielfalt der Welt nicht wieder. Es ist so, dass Sachen, die in Europa funktionieren, die in Deutschland funktionieren, in anderen Gegenden der Welt überhaupt nicht funktionieren. Und die Welt ist auch komplexer geworden, sie ist vielfältiger geworden. Wir haben ja nicht nur soziale Probleme, wir haben auch ökologische Probleme, vielfältige Konfliktsituationen und diese ganzen Religionsfragen dazu, die vor fünfzehn, zwanzig Jahren noch niemand auf dem Schirm hatte. Und jedes Problem wird irgendwie komplexer. Auch die Wirtschaft wird komplexer und ich denke, es gibt nicht eine Person oder eine Elite, die für uns Lösungen erfindet.
Auf welchem Weg findet man Ihrer Meinung nach heutzutage zu Lösungen?
Wir müssen da zu einem kommunikativen Prozess kommen, um vielfältige Lösungen zu finden. Letztlich ist es in der Gesellschaft so, dass man Vielfalt braucht, um diese Probleme zu lösen. Es gibt kein Patentrezept: „Ich enteigne die Banken und die Probleme sind gelöst“. Irgendwie ist das nicht mehr ganz zeitgemäß. Es muss eine Vielfalt von Lösungen geben, die wir im kommunikativen Prozess entwickeln müssen. Es ist die Idee, dass wir von der Medienakademie ein Ideenkatalysator werden. Wir hoffen, dass durch solch eine Medienakademie, durch Vernetzung und durch offene Debatten Ideen angestoßen werden und dass diese Ideen ihre Kreise ziehen und sich auch Leute finden, die sich dafür einsetzen, Projekte machen und Vielfalt entwickeln. Und dass wir auf die Art vorankommen, um die Welt etwas sozialer, ökologischer und gerechter zu machen. Mehr kann man derzeit von der Welt nicht verlangen.
Vielen Dank für das Interview.