Googlen mit Marx

Es ist das bekannte Dilemma: Facebook, Twitter und Youtube sind aus der modernen Kommunikationswelt nicht heraus zudenken – aber findet für die LINKE wirklicher Wandel nicht traditionell auf der Straße statt?

Moderiert von Julia Schramm, Autorin und Ex-Piratin, widmete sich die LINKE WOCHE DER ZUKUNFT am Samstagabend in einer immerhin – voll besuchten – Podiumsrunde dem Thema Soziale Medien.

Für Christian Fuchs, Professor für Social Media an der University of Westminster, stand außer Frage, dass man mit Marx auch die neuesten Entwicklungen im Bereich Digitaler Kommunikation erfassen kann. Wer Facebook, Google, Youtube und Co. nutze, leiste schlicht abstrakte Arbeit, indem man Daten produziere, die die Unternehmen dann durch permanente Überwachung zur personalisierten Werbung weiter verwerteten. Während nicht-kommerzielle Plattformen wenig bekannt blieben, verdienten die großen Internet-Konzerne damit Milliarden und zahlten auch noch kaum Steuern, brachte Fuchs die missliche Lage auf den Punkt.

Auf der anderen Seite böten die digitalen Medien kostenlose und einfache Zugänge zu Informationen. Damit gehe freilich eine weitere Dialektik einher. Der „Internetkommunismus“ (O-Ton Fuchs) greife nämlich nicht nur die kapitalistischen Strukturen an, sondern auch die Lohnnehmer in den betroffenen Medienbranchen. Gerade bei „linken“ Medien, die eh schon Probleme mit dem Anzeigengeschäft hätten, stelle sich die Frage der weiteren Finanzierung.

Leider würden solche Medienthemen auf marxistischen Kongressen gern als bloßer Überbau abgetan, bemerkte Fuchs. Er nutze die Gelegenheit, einige konkrete Vorschläge für eine Art „sozialistisches Internet“ vorzustellen: Kürzere Copyright-Fristen, Umgestaltung der Rundfunkgebühr in eine progressiv gestaltete Mediengebühr, Umwandlung von Bibliotheken zu Open-Access-Verlagen, Video-Sharing-Plattformen im öffentlich-rechtlichen Rahmen anstelle der „weltgrößten Werbeagenturen“ Facebook und Google.

Anke Domscheit-Berg, Unternehmensberaterin, Aktivistin und ebenfalls Ex-Piratin, konnte aus erster Hand über die Vorteile der Digitalisierung berichten. 1989 habe die Vorlaufzeit einer Kundgebung locker 2 Monate betragen: In den Nächten an der Schreibmaschine die Aufrufe abtippen, am Tage vervielfältigen und dann über persönliche Kontakte in der DDR verteilen. Als die Demo dann stattfand, war die Mauer schon gefallen. Die Anti-Guttenberg-Demo am Potsdamer Platz in Berlin wurde dagegen knapp vier Stunden vorher auf Twitter angekündigt – und war gut besucht.

Viel verspricht sich Domscheit-Berg von dem Aufkommen der 3D-Drucker. Durch solche Geräte bzw. zukünftige 3D-Druckshops ließen sich etablierte kapitalistische Strukturen unterlaufen. Design-Pläne werden über Wikis geteilt und somit Prozesse und Produkte dezentralisiert und in die Breite gebracht. „Teilen ist das neue Haben“, zeigte sich das ehemalige Mitglied der Piraten-Partei überzeugt.

Halina Wawzyniak, Bundestagsabgeordnete und netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, kritisierte, Netzthemen seien häufig als Thema für die „Spinner in den Fraktionen“ angesehen worden. Wenn man nicht bald reguliere, drohe in der digitalen Welt das Recht des Stärken. Allerdings sei es keine wirkliche Lösung, nach dem Staat zu rufen. Denn wenn die Daten von den privaten Konzernen in die Hand der Sicherheits- und Geheimdienste wechselten, bewege man sich im Kreis. Letztlich helfe nur Distanz zu beiden Bereichen durch größtmögliche Selbstorganisation.

Man müsse die Chancen und Risiken der Digitalisierung der Arbeit offen diskutieren, so Wawzyniak, auch in Bezug auf die Folgen für die Sozialsysteme – und damit war die Runde abschließend (wieder mal) beim Thema bedingungsloses Grundeinkommen angekommen.

Maximilian Staude