Journalismus zwischen den Propagandafronten

Zum Abschluss der LiMA15 widmete sich das tägliche Abendpodium einem der härtesten Brote des Journalismus: Der Konfliktberichterstattung aus den Krisenregionen der Welt, sei es Südamerika, Afrika oder Osteuropa. Wie kann man als „westlicher“ Korrespondent hier objektiv berichten?

Hubert Thielicke von der Potsdamer Zeitschrift „WeltTrends“ stellte die Redaktionssicht vor. Redakteure brauchen für ihn Hintergrund- und Fachwissen, um dann zusammen mit ihren subjektiven Einschätzungen Berichte von Auslandskorrespondenten auf Glaubwürdigkeit und Ausgeglichenheit abklopfen zu können. Gute Konfliktberichterstattung muss für ihn multiperspektvisch sein und die Hintergründe beleuchten.

Als Praktiker von der „Front“ berichteten Moritz Gathmann, freier Journalist mit dem Schwerpunkt postsowjetische Staaten, sowie die Afrika-Korrespondenten Martin Ling (Neues Deutschland) und Simone Schlindwein (TAZ). Alle drei waren sich einig, dass die Berichterstattung vor Ort unverzichtbar ist – am Besten im Verbund mit Einheimischen, denen man vertrauen kann. Komplexe Probleme ließen sich vom Schreibtisch aus nicht erfassen. Und selbst vor Ort müsse man nah ranfahren, von der Hauptstadt in den Dschungel, um herauszufinden, ob es sich bei Meldungen um Propaganda handle oder nicht.

Offene Lügen von Vertretern einer Konfliktpartei sind für Ling dabei nicht das wirkliche Problem: „Da fragt man sich, wie kann der so blöd sein“. Schwieriger stellt sich dagegen die Lage dar, wenn die Konfliktgruppen medial aufgerüstet haben. Laut Gathmann würden Ukraine und Russland inzwischen sofort auf die Meldungen des jeweils anderen reagieren. „Da kann man als Journalist zwar schreiben, was beide gesagt haben, einen wirklichen Mehrwert hat das für den Leser aber nicht.“, so Gathmann.

Dass mutige Recherche vor Ort eine heikle Angelegenheit sein kann, musste Schlindwein selbst erfahren. Anstatt an einer Siegesfeier der kongolesischen Armee im Kampf gegen „Rebellen“ teilzunehmen, fotografierte sie Leichenschändungen durch Regierungssoldaten und veröffentliche das Bild auf Twitter. Als Reaktion setzte die UNO nur einige Stunden später ihre Kooperation mit der Kongo-Armee aus. Schlindwein wurde daraufhin bedroht, vom kongolesischen Geheimdienst verfolgt und musste aus dem Land fliehen. Sie habe ihre Lektion gelernt und achte nun darauf, heikle Berichte erst dann zu veröffentlichen, wenn sie wieder „auf ihrer Gartenterasse in Uganda“ sitzt. Ebenfalls bedrückt wurde die Stimmung im Publikum, als Schlindwein an den Tod der französischen Fotografin Camille Lepage in der Zentralafrikanischen Republik im letzten Jahr erinnerte.

Angehenden Konfliktberichterstattern empfiehlt Ling nüchtern, einen Grundkurs bei der Bundeswehr zu machen, um zu lernen, wie man sich verhält, wenn geschossen wird. „Sprache lernen, Sprache lernen, Sprache lernen“, rief zudem Gathmann in die Runde. Nur so könne man selbständig Hintergrundinformationen erlangen und kritische Situationen vor Ort bewältigen: „Journalistische Ethik und Reporter ohne Grenzen helfen nur bedingt, wenn dich einer mit einer Kalaschnikow bedroht und als Verräter beschimpft“.

Einig waren sich die anwesenden Praktiker in ihrem Frust mit den berühmt-berüchtigen Leserkommentaren im Internet. Das anonyme Kommentieren erzeugt laut Gathman nur eine „Müllhalde überflüssiger Energie“, auf der es wegen lautstarker Meinungsäußerungen kaum was Interessantes zu lesen gäbe.

Maximilian Staude