Sich wehren mit Naming und Shaming

LiMA-Podium diskutierte über Mittel und Methoden des Union Busting

 

Von Alexander Isele

Knust – Ranft – Kipf – Kanten – Riebele – fast jede Region hat ihr eigenes Wort dafür: Der Brotanschnitt, die beiden Enden, die man, je nach Vorliebe, für das beste Stück des Brotes hält, oder es lieber dem Hund oder den Hasen gibt.

In mancher Firmenkantine gibt es klare Vorschriften, wie mit dem „Krüstchen“ umzugehen ist: Es darf nicht serviert werden, gilt als Abfall und muss weggeschmissen werden. Findige Unternehmer haben aber noch eine andere Funktion für das „Scherzel“ gefunden. Der Verzehr, eventuell noch mit Butter geschmacklich veredelt, gilt als Diebstahl. Und Diebstahl ist ein Kündigungsgrund!

Geschichten über Kündigungen wegen eines angebissenen Bienenstiches oder gefundenen, aber nicht abgegebenen Pfandbons erregen immer wieder die Öffentlichkeit. Klar ist, dass die Unternehmen heute ganz anders auf das Verhalten ihrer Angestellten achten.

Was früher geduldet wurde, gilt heute als schwerwiegender Vertrauensbruch zwischen Arbeitgebern (die, die fremde Arbeitskraft für eigene Zwecke annehmen) und Arbeitnehmern (die, die ihre Arbeitskraft für viel oder wenig Geld hergeben). Findige Unternehmen mühen sich, mit Einfallsreichtum immer neue Regeln zu erfinden, die die eigene Belegschaft des Diebstahls überführt. Das Resultat: Man wird auch Beschäftigte los, die schon lange dabei sind.

Viele dieser Fälle haben noch einen weiteren, von den Medien zwar erwähnten, aber in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so ganz angekommenen Aspekt. Die gekündigten Mitarbeiter waren fast durchweg betriebspolitisch aktiv. Seit 2002 mehren sich die Fälle, dass Unternehmen andere Unternehmen beschäftigen, um mit ihrer Hilfe gegen Gewerkschaften und Betriebsräte vorzugehen.

Die LiMA hat dem Thema am Dienstag eine Podiumsdiskussion gewidmet: Union Busting. Elmar Wigand, Mitgründer der Aktion Arbeitsunrecht , erzählte auf dem Podium viele Beispiele, wie unliebsame Arbeitnehmer von den Anwälten der Unternehmerseite unter Druck gesetzt wurden. Um die gewünschten Ergebnisse zu finden, würden Methoden eingesetzt, die in jeden schlechten Krimi gehören: Detektive, Nötigung, selbst die Überwachung von Lebenspartnern.

Doch Widerstand regt sich. Wigand und sein Team sammeln Fälle, die sie auf einem Blog veröffentlichen. Mittlerweile gingen sie dazu über, aktiv in die Betriebe zu gehen, um aufzuklären, Wege zu zeigen, wie man sich wehren kann. Aber auch dazu, Betriebe und Anwaltskanzleien zu outen, die gezielt gegen Betriebsräte und Gewerkschaften vorgehen. Naming and Shaming.

„Unsere Taktik: Wir nennen Namen, brandmarken. Aber dann machen wir weiter, graben tiefer. Das kann sehr unangenehm sein für diejenigen, die gegen uns klagen“, sagte Wigand.

Tilo Hejhal kennt die Probleme, die Gegenanzeigen und Unterlassungsklagen von Unternehmen gegen unliebsame Berichterstattung. Der Fachanwalt für Medienrecht betonte in der Runde die Wichtigkeit der journalistischen Sorgfaltspflicht. Nur diese kann Journalisten vor Abmahnungen schützen. Denn „Ross und Reiter zu nennen, hat das Risiko, dass Ross und Reiter zurückschlagen“, sagte Hejhal. Man müsse die Gegenseite befragen, alle Details, auch wenn sie noch so nichtig seien, müssen stimmen. Hejhal rät aber auch dringend, sich gewerkschaftlich zu engagieren und sich dort zu organisieren. Gewerkschaften würden in den Prozessen und bei den Kosten helfen.

Renate Gensch, stellvertretende Bundesvorsitzende der Journalistengewerkschaft dju, kennt die Situation vieler Beschäftigter im Verlagswesen. Als Betriebsrätin beim Berliner Verlag „braucht man ein dickes Fell“. Sie kennt die Versuche von Unternehmensleitungen, die Einflussmöglichkeiten von Betriebsräten und Gewerkschaften zu beschneiden, aus eigener jahrelanger Anschauung. Zum einen würden Betriebsräte an der Ausführung ihrer Arbeit gehindert, in dem man versuche, mit Extra-Aufgaben die Zeit für die Betriebsratsarbeit knapp werden zu lassen. Viel gravierender erscheint ihr die Unsicherheit der Kollegen um ihren Arbeitsplatz, die sie davon abhalte, sich betriebspolitisch zu engagieren.

Gensch meint aber trotz alledem, dass ein starker Betriebsrat es schaffen kann, trotz mehrmaliger Übernahmen eine Bezahlung nach Tarif zu erkämpfen. Aber die Unternehmen haben auch dagegen nunmehr ein Mittel gefunden. So stückeln sie das Unternehmen in eine Vielzahl von Gesellschaften auf, die jede für sich einen eigenen, schwachen Betriebsrat hat. In Genschs Fall entstanden aus einem Verlag 340 Gesellschaften, was die betriebsrätliche Abstimmung enorm erschwert.

Trotz düsterer Geschichten über skrupellose Unternehmen ließ die Veranstaltung auch Grund zur Hoffnung. Gruppen wie Aktion Arbeitsunrecht geben dem Thema eine Öffentlichkeit, die Gegendruck aufbauen kann. Dazu benötigt es aber die Solidarität vieler, sowohl von Betroffenen untereinander als auch von außen. Moderatorin Katja Barthold, freie Journalistin und in der gewerkschaftlichen Jugendarbeit tätig, konnte am Ende nur ein Fazit ziehen: „Nur Organisierung schützt vor Union Busting!“

Der Autor ist Volontär beim Neuen Deutschland.