Buschkowsky im Briefkasten

von Maximilian Staude

Es ist Wahlkampfzeit in der Hauptstadt, am 18. September wird in Berlin gewählt. Auch in Zeiten des Internets greifen die Parteien auf Briefeinwürfe in Form von Postkarten oder Werbezeitungen zurück. Auch wenn viele Bürgerinnen und Bürger solche Publikation gleich in den Papiermüll entsorgen dürften, so wird diese doch dafür zwangsläufig in die Hand genommen werden. Ein erster Blickkontakt ist damit sichergestellt. Ein am Rand eingeblendetes Werbebanner auf einer Internetseite dürfte aus dieser Sicht auch nicht sehr viel effektiver sein.

Auch die rechte Kleinpartei „Pro Deutschland“ beglückt die Bevölkerung mit einer Werbezeitung (Eigendruck, Auflage 100.000). Auf acht Seiten verkündet hier vor allem eine Person sein politisch-ideologisches Weltbild: Spitzenkandidat und Pro-Bundesvorsitzender Manfred Rouhs.

2005 durch Rouhs ins Leben gerufen, existieren neben Berlin noch in Form von Pro-Köln und Pro-NRW halbwegs aktive Parteistrukturen. Bei der letzten Berlin-Wahl erzielte die Partei 1,2%, bei der vergangenen Bundestagswahl 0,2% der Zweitstimmen.

Unter dem Titel „Berlin traut sich und wählt pro Deutschland!“ echauffiert sich der Leitartikel des Blättchens, wenig überraschend, vor allem über die Flüchtlingspolitik.

Ganze große Linien zieht Rouhs mit dem Verweis auf den britischen Philosophen Thomas Hobbes (Leviathan, 1651). Die Regierung habe den Gesellschaftsvertrag gekündigt, klagt Rouhs, da sie nicht mehr für Sicherheit und Schutz sorge.

In einfacher Sprache und eingestreuten Absätzen in Fettschrift folgen die üblichen Forderungen: Mehr Geld für (deutsche) Familien, für Polizei und forcierte Abschiebungen von Asylanten. Ein Bereicherungsfall eines Beamten im Migrationsbereich wird als Beleg für die totale Korruption in der Berliner Politik hochgespielt.

Inhaltlich etwas „links-rot-grün versifft“

Ein genauere Blick zeigt gleichwohl eine Auffälligkeit: Obgleich gerne von Seiten der Rechten auf das „Gutmenschentum“ und den „links-grünen Mainstream“ geschimpft wird, so scheint deren Diskurs auch an den Nationalisten nicht vorübergangen zu sein. Dass die Flüchtlingsströme etwas mit der globalen Ungleichheit und der Suche nach Zukunftsperspektiven zu tun hat – das kann man nun auch in der Pro-Zeitung lesen.

Dass ein öffentliches Stromnetz Vorteile besitzt ebenfalls. Auch einen Mindestlohn von 10 Euro hält die Pro-Partei für problemlos finanzierbar, ebenso wie kostenloses Mittagessen und Lehrmaterialen an den Schulen. Allerdings: Flüchtlingskinder in Regelklassen zu integrieren, das geht doch zu weit.

Ach ja, „kein Krieg mit Russland“, das will Rouhs als potentieller Berliner Bürgermeister auch noch.

Auf Seite Zwei springt dem Leser auf einmal das Bild vom ehemaligen Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) entgegen. Bekannt durch seine markigen Worte über Integration und Sozialprobleme in den deutschen Talk-Shows, darf Buschkowsky nun als Kornzeuge über den Verfall der etablierten Parteien herhalten. Vor einigen Jahren warb Pro-Deutschland im Übrigen noch mit Thilo Sarrazin (auch SPD), bis der sich juristisch wehrte. Tipp an die Pro-Presseabteilung: Einfach mal Akif Pirinçci anfragen.

Ansonsten propagiert Rouhs noch den Einsatz für Tierrechte – ein bekanntes Reinwasche-Thema der rechten Szene. Illustriert wird das Ganze von der Heiligen Dreifaltigkeit der deutschen Haustierliebe – Katze, Hund und Hamster.

Die verwendeten Bilder des Blattes sind nur zum Teil mit Verweisen auf Rechtinhaber versehen und dann auch nur unter angeblicher CC-Lizenz.

Unter dem Slogan „Sie bringen den Terror nach Europa“ werden die Logos der etablierten Parteien (Merke: ohne FDP) sowie von Antifa, DGB und Ver.di gezeigt. Letztere Gewerkschaft reichte dagegen Unterlassungsklage ein.

Zuletzt präsentiert das Blatt noch eine Auswahl von Pro-Deutschland Kandidaten. Mit einer Erzieherin, einer Pflegerin, einer Hausfrau, einem IT-Administrator und einem Gastronomen soll die Nähe zum „Otto Normalverbraucher“ symbolisiert werden. Bei den drei 1942 bzw. 1943 geborenen Personen wäre allerdings anstatt von Berufsbezeichnungen der Begriff Renter/in wohl ehrlicher gewesen.

Deutlich jünger ist Kevin Eichelbaum, der, 1991 geboren, bereits die Position eines „Geschäftsführer“ innehat. Wer nun denkt, dass Pro-Deutschland sich hier großbürgerliche FDP-Wählerschichten erfolgreich erschlossen hat, wird allerdings enttäuscht. Damit ist schlicht Eichelbaums Funktion als Bundesgeschäftsführer von Pro-Deutschland umschrieben. Auf seinem Twitter-Account mit 20 Followern wettert Eichelbaum ohne Resonanz ins kommunikative Vakuum hinein.

Einen zweiten Blick dürfte der Leser eher auf das Portraitbild von Bento Motopa werfen. Der Elektrotechniker und Pro-Kreisvorsitzender hat einen mosambikanischen Vater. Er erlaubt damit seinem Parteichef Rouhs die übliche Argumentation von „Ich habe nichts gegen Fremde, habe doch viele schwarze/türkische/jüdische etc. Freunde“ zu vertreten.

Abgesehen davon bietet die Publikation insgesamt gesehen keine Überraschungen in Inhalt und Form. Es ist das, was man von einer rechten Politsekte erwarten darf. Eher wirkt das Gejammer über die „Altparteien“, Sprüche wie „Asylbetrüger abschieben“ oder die durchstrichene Moschee schon ein wenig altbacken. Denn inzwischen hat die AfD die Hoheit im rechten Lager übernommen, bei Landtagswahlen 20 Prozent geholt und ihren politischen Vorläufern damit das Wasser abgegraben.

Währendessen bekommt auch die AfD Wahlhilfe durch ein Printprodukt. Die Wahlzeitung „Extrablatt“ wurde nach Angaben des Medienmagazins ZAPP in 90% der Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern vor den Landtagswahlen am 4. September verteilt.  Hier ist es jedoch so, dass nicht die Partei selber die Herausgeberin ist, sondern der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“. Der Verein tritt nun auch im Berliner Wahlkampf durch das „Extrablatt“ in Erscheinung und finanziert zudem, wie in den Landtagswahlkämpfen davor, großflächige Plakate. Die AfD stört die Intransparenz dieser Wahlhilfe im übrigen nicht, sie sei finanziell sowieso benachteiligt gegenüber den „etablierten Parteien“, so Thomas de Jesus Fernandes der Schweriner Kreisvorsitzender der AfD.