Ein bisschen kam man sich auf der oberen Etage des Kongresszentrum bcc direkt am Berliner Alexanderplatz vor wie bei einer Messe für Telekommunikation: Ein Infotisch mit den neusten Apps, Tools etc. jagte den Nächsten. Im Hintergrund lief latent einschläfernde Lounge Musik und zwischendurch konnte man sich vom Catering Service an eleganten Bistrotischen mit Häppchen versorgen lassen.
Alles in allem wirkte es ein bisschen zu steril für das, was sich hier eigentlich ereignen sollte: Ein internationales Zusammenkommen populärer InvestigativjournalistInnen und Whistleblowern, sowie von HackerInnen und InternetaktivistInnen.
Das Logan Symposium war es, das am letzten Wochenende erstmals in Berlin stattfand.
Maßgeblich wird dieser Kongress ausgerichtet vom Centre for Investigative Journalism (cij), einer Organisation mit Sitz in London, die seit Jahren Weiterbildungen im „Enthüllungs“-Journalismus anbietet und in deren Umfeld sich einige bekannte Gesichter der Szene bewegen. Sarah Harrison, enge Beraterin Edward Snowdens und Julian Assanges, war im cij tätig, bevor sie anfing, für WikiLeaks zu arbeiten.
Unter dem Titel „Challenge Power! Building alliances against Secrecy, Surveillance & Censorship“ wurden im bcc in mehreren „Sessions“ zwei Tage lang verschiedenste Projekte vorgestellt und Themen besprochen, die den eingeladenen ExpertInnen so auf den Nägeln brannten.
Die Liste der SprecherInnen konnte sich durchaus sehen lassen.
Zum Beispiel der Undercover Journalist Anas Aremeyaw Anas aus Ghana, der mit versteckter Kamera wiederholt Korruption und Menschenrechtsverletzungen in afrikanischen Ländern aufgedeckt hat. Dabei bewahrt er stets seine Anonymität. Das tat er auch in Berlin: Sein Gesicht blieb verborgen unter einer Maskierung.
Oder der Programmierer MC McGrat, bei dem man sich zuerst erschrak, weil er kaum älter als 18 aussieht, dann herausfand, dass er tatsächlich erst 21 ist, und schließlich beeindruckt war von der Professionalität seiner Arbeit. Seine Umsetzung einer Datenbank, ermöglicht es, tausende von LinkedIn-Profilen von GeheimdienstmitarbeiterInnen zu durchsuchen und sie sozusagen „zurückzuüberwachen“.
Oder der Investigativ-Dinosaurier Seymour Hersh, der über die Schwierigkeiten der Veröffentlichung von Enthüllungsstories in den Mainstream Medien sprach, denen die Unterhaltung mehr wert sei als eine gute Recherche.
Sie alle umgab eine beinahe mystische Aura, als sie davon erzählten, wie sie sich mit sämtlichen Autoritäten dieser Welt anlegten – unter dem verbindenden Wunsch, für Gerechtigkeit zu sorgen und Klarheit zu schaffen.
Dass dann auch noch der ziemlich müde aussehende Julian Assange aus der ecuadorianischen Botschaft in London per Live Stream zugeschaltet wurde und der Moderator sagte, es habe etwas „Himmlisches“, wie er da auf der Leinwand so über ihnen schwebe, rundete das Spektakel perfekt ab.
JedeR der SprecherInnen des Symposiums macht unverkennbar extrem wichtige Arbeit. Jedes investigative Projekt, jedes unabhängige Recherchenetzwerk, das vorgestellt wird, geht mutig mit seinen Inhalten um.
Nur wird wenig über das „Warum“ geredet.
Die Missstände, aus denen Enthüllungsjournalismus und Hacktivismus hervorgehen, wurden nicht miteinander verknüpft.
Anstatt zu erkennen, dass derartiger Aktivismus Ausdruck des Unmuts über eine Berichterstattung ist, die unter dem Deckmantel der Pressefreiheit immer mehr von großen Medienkonzernen oder anderen wirtschaftlichen Interessen gesteuert wird, gab man sich ein Einzelkämpfer-Image.
Der Widerstand gegen staatliche Vertuschung und die Repressionen, die damit einhergehen, wurden politisch nicht diskutiert, sondern eher als heroische, individualisierte Handlung beschrieben.
Das heißt nun nicht, dass jeder Autonormalbürger zum Whistleblower werden muss, um sich gegen „die da oben“ zu wehren.
Aber die Möglichkeit, Internetaktivismus als Teil einer politischen Bewegung wahrzunehmen und nicht als mehr oder minder geschlossenen Kreis, hätte dem Symposium gut getan.
Der kontroverseste Beitrag dieses Wochenendes klagte zwar den Elitarismus der Szene an, ging darüber jedoch auch nicht hinaus:
Jacob Applebaum, der einst die NSA-Affäre rund um die Abhörung von Angela Merkels Handy aufdeckte, rechnete so richtig schön schmutzig mit den etablierteren VertreterInnen des Symposiums ab. Nachdem er dann den britischen Guardian als „beschissenste Zeitung“ englischer Sprache bezeichnet hat, macht er noch auf einen wichtigen Punkt aufmerksam:
Investigativer Journalismus wäre so etwas „wie ein Zelt“ und alle, die sich in diesem befinden, seien geschützt durch Presse- und Meinungsfreiheit.
Diejenigen jedoch, die sich außerhalb des Zeltes befänden und unabhängig gegen Spionage, Zensur und Geheimhaltung kämpften, müssten viel mehr riskieren, um ihre Inhalte zu veröffentlichen.
Das ist wahr.
Aber genau deswegen wäre eine bessere Vernetzung untereinander, eine breitere Öffentlichkeit und einschlägige politische Forderungen wohl nur sinnvoll gewesen.
Gerade wenn von den etablierten Investigativen keine Unterstützung mehr kommt, erscheint es als umso wichtiger, sich nicht das Image der nerdigen Internetaktivisten aufdrücken zu lassen, sondern den Einsatz für eine kritische Berichterstattung mit anderen Protesten zu verknüpfen.
von Theresa Hartmann